Das sagt Nicole Linde, Vorstandsvorsitzende Hunderettung e.V.
Frage: Frau Linde, warum ist es Ihrer Meinung nach wichtig, Hunde aus dem Ausland zu unterstützen, obwohl die Tierheime in Deutschland bereits voll sind?
Nicole Linde: Tierschutz hört nicht an der Grenze auf, genauso wenig wie Mitgefühl für Menschen. Unsere Verantwortung als Tierschützer erstreckt sich über nationale Grenzen hinaus. Viele Hunde im Ausland leiden unter extremen Bedingungen und haben dringend Hilfe nötig. Es wäre ethisch falsch, sie ihrem Schicksal zu überlassen, nur weil in Deutschland Tierheime überfüllt sind.
Frage: Ein häufiges Argument gegen die Aufnahme von Auslandshunden in deutschen Tierheimen ist die Sorge, dass sie deutschen Tieren Plätze wegnehmen könnten. Was sagen Sie dazu?
Nicole Linde: Dieses Argument basiert auf einem Missverständnis. Die Überfüllung in deutschen Tierheimen ist nicht allein auf Auslandshunde zurückzuführen. Vielmehr sind unüberlegte Anschaffungen und die falsche Haltung von Hunden in Deutschland oft die Ursache. Viele Hunde in deutschen Tierheimen sind schwer vermittelbar, weil sie nicht richtig erzogen oder gehalten wurden. Hier geht es nicht darum, ob ein Hund aus dem Ausland oder aus Deutschland stammt, sondern um die Verantwortung der Tierhalter.
Frage: Ein weiteres Vorurteil ist, dass Auslandshunde schwerer zu vermitteln seien. Wie begegnen Sie dieser Annahme?
Nicole Linde: Tatsächlich sind Auslandshunde oft genauso liebenswert und anpassungsfähig wie inländische Hunde. Unsere Vermittlungsorganisationen legen großen Wert darauf, die Tiere und ihre zukünftigen Familien gut abzustimmen. Viele Menschen schätzen die Vielfalt und die besonderen Geschichten, die Auslandshunde mitbringen. Wir haben zahlreiche erfolgreiche Vermittlungen erlebt, die beweisen, dass diese Tiere eine Chance auf ein glückliches Leben in Deutschland verdienen.
Frage: Sie haben erwähnt, dass der Welpenhandel und „Hobbyvermehrer“ in Deutschland ein größeres Problem darstellen. Könnten Sie das näher erläutern?
Nicole Linde: Absolut. Der illegale Welpenhandel und die unkontrollierte Vermehrung von Hunden durch sogenannte „Hobbyvermehrer“ sind ein viel drängenderes Problem. Diese Praktiken führen zu schlechten Lebensbedingungen, schlechter Gesundheit und Leid für die Tiere. Die Unterstützung von Auslandshunden steht nicht im Widerspruch dazu, gegen diese gravierenden Missstände in Deutschland vorzugehen. Im Gegenteil, sie sensibilisiert die Öffentlichkeit für die Notwendigkeit von verantwortungsvoller Hundezucht und -haltung.
Frage: Frau Linde, in den letzten Jahren haben viele Bürger aufgrund steigender Inflation, der hohen Kosten der Energiekrise und generell gestiegener Lebenshaltungskosten weniger finanzielle Ressourcen zur Verfügung. In diesem Zusammenhang hören wir oft die Sorge, dass die Tierheime in Deutschland bereits voll sind, und auch dann wird dies Auslandstieren angelastet.
Wie beurteilen Sie die finanziellen Sorgen der als Faktor der Überfüllung der Tierheime?
Nicole Linde: Diese wirtschaftlichen Herausforderungen sind zweifellos entscheidende Faktoren, die die Lage in unseren Tierheimen beeinflussen. Es ist wichtig zu betonen, dass Menschen aufgrund der genannten Gründe immer weniger finanzielle Mittel zur Verfügung haben. Die finanzielle Belastung erschwert es vielen Tierhaltern, ihre Haustiere angemessen zu versorgen und in schwierigen Zeiten zu unterstützen. Die Tiere landen daher oft in den Tierheimen. Und diese sind voll. Hier sehe ich nicht den richtigen Weg darin, die Schuld auf Auslandstiere zu schieben, sondern darin, gemeinsam Wege zu finden, wie Menschen trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten ihre Haustiere behalten können, unabhängig von ihrer Herkunft.
Frage: Zu guter Letzt, wie reagieren Sie auf Kritiker, die behaupten, dass Menschen, die sich für Auslandshunde einsetzen, oft selbst nicht viel im Tierschutz tun und vielleicht sogar einen Hund vom Züchter haben?
Nicole Linde: Es ist wichtig zu verstehen, dass die Unterstützung von Auslandshunden nicht den Tierschutz in Deutschland negiert. Wir sollten uns gegenseitig ermutigen und unterstützen, wenn es um den Schutz von Tieren geht, unabhängig von ihrer Herkunft. Tierschutz ist eine gemeinsame Verantwortung, und jeder kann einen Beitrag leisten. Kritik ist oft leicht geäußert, aber wir sollten uns daran erinnern, dass wir alle dasselbe Ziel verfolgen: das Wohl der Tiere. Anstatt zu motzen, sollten wir zusammenarbeiten, um positive Veränderungen zu bewirken.


